Gute Gründe, warum ein Kind die Wut nicht regulieren kann
Ich sitze im Bus, höre hinter mir, wie ein etwa 4 jähriger Junge eine Schokolade möchte. Die Mutter sagt: „Nein!“ Erklärt ihm ausführlich, warum er jetzt keine Schokolade bekomme. Dem Jungen ist egal warum die Mutter nein sagt. Er will jetzt Schokolade haben! Seine Stimme wechselt die Tonlage. Er wird lauter und schriller. Die Mutter wird ungeduldig. Sagt, er solle aufhören. Wenn er nicht aufhöre, setze sie sich an einen anderen Platz, weit weg von ihm. Der Junge denkt nicht daran aufzuhören und beginnt zu schreien und auf die Mutter einzuschlagen. Jetzt sind beide wütend: sie schreit und er tobt weiter.
Für Mutter und Kind ein Moment voller Ohnmacht und Verzweiflung.
Kindliche Wut ist wie ein Ferrari mit Fahrrad-Bremsen.
Wichtig zu wissen:
1. Kinder unter 7 Jahren können von der Hirn-Entwicklung her ihre Wut noch nicht selber regulieren. Ihnen fehlt die emotionale Reife. Sie fühlen so intensiv, dass es blitzschnell zu einer emotionalen Überwältigung kommt.
Wichtig zu wissen:
2. Sind kleine Kinder emotional überfordert oder wütend, hilft ihnen keine Erklärung. Viele Kinder sehen in den Erklärungen die Möglichkeit die Meinung der Eltern zu verändern. Sie beginnen zu argumentieren.
Starke, aufgewühlte oder tobende Gefühle brauchen emotionalen Halt.
Emotionalen Halt bekommen sie über eine sichere Bindung.
Ja, wenn Kinder wütend sind, brauchen sie uns Erwachsene. Ohne unsere Verbindung fegt ihre Wut wie ein Hurrikan durch den Körper. Eine sichere Bindung besänftigt Gefühlsstürme liebevoll. Wütende Kinder brauchen im Sturm ihrer Gefühle unsere ganze Aufmerksamkeit. Spüren Kinder, dass Mamma oder Papa präsent ist und mit ihnen verbunden bleibt, können sie entspannen und die Wut kann so schnell, wie sie gekommen ist, weiter ziehen.
Kindliche Wut ist ungebremst. Für die Eltern ist es wichtig, sich nicht mitreissen zu lassen. Es ist hilfreich, die Wut unmittelbar zu akzeptieren: „Ja, mein Kind ist gerade wütend. Es ist frustriert, weil es nicht bekommt, was es will. “
Etwas nicht zu bekommen macht wütend.
Das Kind bekommt in unserem Beispiel keine Schokolade und die Mutter bekommt auch nicht, was sie will. Gerne hätte sie ein Kind, welches ihr zuhört und mit dem quengeln aufhört. Beide bekommen nicht was sie wollen. Beide haben einen „guten Grund“, wütend zu sein. Was nun?
Übrigens: mit einem Handy das wütende Kind ablenken zu wollen, ist keine gute Idee.
Handys können keine Wut regulieren.
Handys können keine sichere Bindung anbieten. Eltern schon. Eltern können einen sicheren Beziehungsraum schaffen-Handys nicht. Eltern können über ihr Nervensystem das Nervensystem des Kindes beruhigen-Handys strapazieren das Nervensystem des Kindes.
Gemeinsam die Gefühlswolken vorbei ziehen lassen.
Angenommen, die Mutter von unserem 4 jährigen Jungen war inzwischen bei einem Eltern-Coaching. Sie hat dort erfahren, wie sie ihren Sohn liebevoll und ruhig durch seine Wut begleiten kann. Was sie tun kann, damit er seinen Wut-Ferrari selber abbremsen kann.
Wieder sind sie im Bus unterwegs. Der Junge ist müde und möchte Schokolade. Die Mutter sagt:“Nein. Wenn wir zu Hause sind, gibt es Mittagessen.“ Diese Antwort gefällt ihm absolut nicht. Die Mutter erkennt: jetzt ist es wichtig, dass ich ruhig und bei meinem Sohn bleibe. Mein Sohn braucht mich jetzt. Sie legt sanft die Hand auf den Arm des Jungen und bleibt mit ihm in Kontakt. Atmet ganz bewusst tief durch und beobachtet interessiert-neugierig, was geschieht. Sie sieht, wie der Junge die Arme verschränkt. Er demonstriert, wie er mit dieser Antwort nicht einverstanden ist. Die Mutter bleibt ruhig und sucht seinen Augenkontakt und sagt sich innerlich: ja er ist jetzt wütend, weil er nicht bekommt, was er will und beobachtet weiter. Auf einmal sieht sie, wie Tränen in die Augen des Jungen schiessen. Da bemerkt sie, wie sie erschrickt. Erinnert sich jedoch an den Satz im Coaching: Frustration macht sauer–dann kommt die Trauer.
Wenn Kinder etwas nicht bekommen, was sie möchten, werden sie zuerst einmal sauer und hart. Löst sich das sauer-sein auf, ist es wunderbar, wenn sie traurig werden. Die Trauer hilft ihre Frustration zu verdauen. Ist die Frustration verdaut, werden Kinderherzen wieder weich und strahlend.
Unsere Mutter wartet weiterhin still und präsent ab. Sie weiss inzwischen: ihre Ruhe und ihre Verbindung sind jetzt ein wichtiger Trost für ihren Sohn. Tatsächlich: der Junge wischt mit dem Arm seine Träne ab und möchte bei ihr auf dem Schoss sitzen. Jetzt sofort! Die Mutter schmunzelt: Mamaliebe ist doch ein guter Schokoladenersatz.
Fazit.
Kinder, die mithilfe von Beziehung erleben, wie sich die Wut beruhigt, lernen auf ganz natürliche Art, Selbstregulation. Jede neue Selbstregulation-Erfahrung wirkt unterstützt die Hirnentwicklung. Im Ferrari-Bild gesprochen: mit jeder Erfahrung bekommt der Wut-Ferrari stärkere Bremsen.
Liebe Eltern, ihr möchtet für eure Kinder da sein und ich bin gerne für euch und eure Fragen da.
Hier geht’s zum Eltern-Coaching.